Donnerstag, 20. Oktober 2011

Über blinde Flugrobben

 
    Gottfrieds Abenteuer als Papa“ bietet heute: Das Kabarettgustostückerl des Tages. Es war Zeit meinen Kindern die Zungen zu brechen: „Kinder hört’s mal her. Wenn Fliegen hinter fliegen fliegen, fliegen Fliegen Fliegen nach. Sagt’s das einmal ganz schnell hintereinander.“ Meine Söhne Matthias und Florian starrten mich mit großen Glupschaugen an.
    „Und es geht noch besser. Wenn Robben hinter Robben robben, robben Robben Robben nach. Oder, wenn Spinnen hinter Spinnen spinnen, spinnen Spinnen Spinnen nach.“
    Florian schubste Matthias und deutete mit seinem rechten Zeigefinger auf die Schläfe: „Der Papa hat das manchmal. Der beruhigt sich wieder.“ Matthias’ linker Zeigefinger betätigte sich inzwischen als Nebenhöhlenforscher.
    Der Komödiant ihn mir war nicht mehr zu stoppen. Es sprudelte nur so aus mir heraus: „Haha, wartet’s, ich hab noch ein paar. Wenn Grillen Grillen grillen, grillen Grillen Grillen. Wenn Blinde hinter Blindschleichen schleichen, schleichen Blinde Blindschleichen nach. Wenn’s die Vorhau ... äh nein, lass ma das. Wenn Griechen hinter Griechen kriechen, kriechen Griechen Griechen nach.“
    Vor lauter Lachen kamen mir die Tränen. Auch Matthias Mundwinkel wanderten langsam nach oben. Er war aufgetaut und kuderte sich ab: „Gchi Gchi Gchi. Papa, was ist ein Griechen?“
    Als Krönung hatte ich mir einen absoluten Klassiker aufgespart: „Flo, sag mal ganz schnell: Hirsch heißt ein Mann.“ „Papa, den kenn ich.“

Donnerstag, 13. Oktober 2011

Sticker und andere Rattenfänger-Tricks


(Dies ist eine erweiterte Version des Posts "Moderne Kinderpest".)

Seit 2010 wälzt sich eine unaufhaltsame "Seuche" durch Österreichs Kindergärten und Volksschulen. Wie so oft, war der Ausgangspunkt solcher Epidemien der Regenwald. Beschleunigt durch das feucht-tropische Klima breiteten sich die klebrigen Keime aus, zuerst auf Wüsten, dann Steppen und erreichten final über Umwege sogar das Weltall. Ausgehend vom fernen Planeten Merkur eroberte die moderne Pest Ozeanien von der fernen Arktis bis in die südlichste Antarktis und gipfelte schließlich in einer weltrekordverdächtigen Serie von Ansteckungen der Kunden (ehemals) billiger Läden.

Stickermania, Kaufdruck auf die Eltern

Diese "moderne Plage" äußert sich in Symptomen, die denen des Autismus nicht unähnlich sind. Zwanghaft werden Nummern sortiert, lückenlos müssen die Zahlenreihen sein, Verdoppelungen oder noch schlimmer Verdreifachungen sind verhasst und werden vehement abgestoßen, entweder zur Vervollständigung fremder Chiffrenketten oder um Unschuldige mit den Worten "Die brauch' ma nimmer, könnt's haben" zu infizieren. Eingeweihte Eltern "erkrankter" Kinder wissen natürlich längst, wovon ich spreche. Die "Spastiker" (=Originalzitat aus Kindermund) sind wieder da, diesmal in ihrer dritten Inkarnation: "Polar-Abenteuer". Österreichweit stöhnen leidgeplagte Eltern neuerlich unter dem auferzwungenen Joch der Stickermania. Wieder einmal heißt es: weiter zum Einkauf fahren als üblich, mehr CO2 ausstoßen als nötig (auf Wiedersehen Polkappen, baba Polar-Abenteuer), zwanghaftes Kaufrunden auf den nächsten Zehner, Klebebilder-Verwaltung für die Sprösslinge und dubiose Tauschgeschäfte mit anderen Eltern.

Die Anfänge

Begonnen hat alles eigentlich ganz harmlos, als vor mittlerweile (geschätzten) 53 Jahren der kleine Michael beim Greisler ums Eck von Frau Lange seine "Storck-Riesen" bekam. Den Ersten steckte er, wie wir wissen, immer sofort in den Mund. Damals war die Welt noch heil, der wöchentliche Lebensmittel-Einkauf ein zwischenmenschliches Erlebnis, und Mutti gönnte Frau Lange bestimmt gerne die paar Pfennige für das glückliche Lächeln ihres Sohnes.

Nostalgie Fußball-Pickerl

Auch den Ursprung der Sammelpickerl verbinde ich mit nostalgischen Erinnerungen. Ebenfalls vor (diesmal exakt) 29 Jahren sparte ich jeden Groschen Taschengeld (den Rest "erraunzte" ich mir von den Eltern) für Fußball-WM Pickerl. Mit meinen Ersparnissen fieberte ich dem wöchentlichen Trafikbesuch mit Mama entgegen, wo zufällig(!) in meiner Augenhöhe die Pickerlbox platziert war. Während Mama ihre Zeitschriften kaufte, erstand ich Degeorgi, Schachner und endlich Maradonna. Die Trafikantin hieß, glaube ich, auch Frau Lange, ich allerdings nicht Michael. Wie auch immer, es war eine schöne Zeit.

Kinder als verwundbare Zielgruppe

Ich sehe schon: Sie denken, ich schreibe nur wirres Zeug. Worauf ich hinaus will, ist ganz einfach Folgendes. Das moderne Marketing fand sein größtes Juwel vor (richtig geraten) ca. 53 Jahren im deutschen Sagenschatz, genauer gesagt beim "Rattenfänger von Hameln".

Just an jenem Tag, als Frau Lange die geniale Idee hatte, ihre Storck-Riesen Box nicht mehr hinten im Regal, sondern vorne auf dem Ladentisch zu platzieren, verdoppelte sich ihr Umsatz. Während wir Erwachsenen im Laufe der Jahre eine immer hartnäckigere Immunität gegen blinkend glitzernde Werbebotschaften entwickelt haben, sind Kinder eine Zielgruppe, die verwundbar ist. Und das nützen sie, die kollektiven Marketing-Frau-Langes verschiedenster Konsumtempel, und feuern seitdem aus allen Rohren. (Eltern sind zwar fast immun gegen PR und Werbung, allerdings nicht gegen gezielt wiederholte Satzfragmente: "Mama, ich will." "Mama, ich will!" "Mama, ich will aber!")

Kiddy-Menü, Happy-meals&Co

Heute ist der "Kinderhandel" allgegenwärtig. Einige Beispiele. Ein bedrohlicher Clown, der jenem aus Steven Kings "Es" nicht unähnlich ist, lockt unsere Sprösslinge mit Spielzeug aus meiner fernen Heimat China zum Essen in seinen, mit goldenen Doppeltorbögen geschmückten, Fast-Food-Tempel. Vor Supermarktkassen laufen gestresste Eltern mit ihren Kindern im Schlepptau durch Gänge umringt von Eistruhen und Süßigkeiten in praktischer Kinderaugenhöhe. Im Kino muss vor der Vorstellung noch unbedingt das Themen-Kiddy-Menü erstanden werden, das preislich in der Region einer weiteren Eintrittskarte anzusiedeln ist. Dabei gibt's zusätzlich zu den Pop Corn nur einen (ebenfalls chinesischen) Plastik-Wickie.

Druck auf die Eltern

Und jetzt, beide Ende 30, können meine Frau und ich uns nicht einmal mehr den Supermarkt für den wöchentlichen Einkauf aussuchen. Seit drei Wochen pilgern wir abwechselnd zu Billa und/oder Spar. Dabei liegen die nicht einmal in unserer Nähe. (Wir jetten normalerweise zum Planeten Merkur oder zum Hofer hinter der Trabrennbahn.)

Liebe Supermarktketten, ihr macht euch unter uns Eltern echt keine Freunde. Bitte hört auf damit!

Der Artikel ist am 13.10.2011 auch im Online-Standard erschienen (http://derstandard.at/1317020000820/Kinder-im-Marketingfokus-Sticker-und-andere-Rattenfaenger-Tricks)

Samstag, 8. Oktober 2011

Das Gegenteil

Ich möchte heute über das Gegenteil schreiben. Warum ich das tue, ist schnell erklärt. Als dreifacher Papa, beobachte ich tagtäglich hautnah die Sprachentwicklung meiner Kinder und erfahre aus erster Hand welche Phasen ein Kinderhirn dabei durchläuft.
Irgendwann, wenn die Basics abgehakt sind, entdecken Kinder, dass es zu vielen Wörtern ein Gegenwort gibt. Ganz zu Beginn steht das allseits beliebte „Nein“ der Eltern. Das Gegenteil von „Nein“ lautet „Ich will aber“. Mehr praktische Beispiele sind „heiß“ und „kalt“, „jung“ und „alt“ oder verwirrender: „groß“ und „klein“. Mein Sohn Matthias meinte einmal treffend: „Ich bin nicht kleiner als der Michigel, sondern nur niedriger, weil ich hab 2 Monate vor ihm Geburtstag.“
Später versuchte mein Ältester, Florian, das Konzept auf alle möglichen Dinge auszudehnen: „Papa, was ist das Gegenteil von Auto, Haus, Fenster, ...“ Und genau diese Fragen führten mich schnurstracks zu diesem Artikel. Gibt es von Substantiven immer ein Gegenteil? Die Antwort ist natürlich das Gegenteil von „Ich will aber.“ Nach einigem Stöbern in der Rumpelkammer der deutschen Sprache entdeckte ich jedoch einige erstaunliche Fundstücke.
Wenn auch nicht alle Beispiele zu 100% akkurat sind, dann sind sie doch unterhaltsam. Beginnen wir einfach. Das Gegenteil von „Sarg“ ist „Gras“, von „Leber“ ein „Rebell“, von „Austria“ ... richtig geraten: „Rapid“. Verzieht sich der „Nebel“, beginnt das ... „Leben“. Ein „Seher“ sagt die Zukunft voraus, ein „Hörer“ hängt am Telefon. Das Gegenteil der „Lage“ ist ein „Steher“, eines „Läufers“ der zweideutige „Ständer“.
Soweit so halblustig. Kommen wir zu den interessanteren Exponaten. Ich biete: „Wasserwerfer“ gegen „Feuerschlucker“, „ein Kloster“ versus „Auspuff“, statt der „Blindschleiche“ den „Taubenflug“. Akzeptiert jemand einen „Vorschlag“ nicht, bekommt er den „Hintern gestreichelt“. „Fingernägel“ hat jeder, aber nur durch falsches Schuhwerk bekommt man „Hammerzehen“. Diese sind oft gepaart mit „Hühneraugen“, ganz wo anders befinden sich „Eselsohren“ (erstaunlicherweise nicht auf Eseln.)
Jetzt wird’s etwas skurriler. „Fremdgeburten“ gibt es in der „Semmelweißklinik“, „Selbstmorde“ führen in die „Schwarzbrotgruft“. Das eine passiert im „Kreissaal“, das andere im „Eckhaus“.
Das Gegenteil des „Mensaeingangs“ ist der „Klodeckel“. Ist dort der „Ausgang“ verstopft, hilft vielleicht ein „Einlauf“. Feste Nahrung gibt’s beim „Essensstand“, Getränke beim „Saufgelage“. Diese finden meist am „Stammtisch“ statt und nur selten im „Hängesessel“. Musik düdelt aus den „Lautsprechern“ und hört man nie von „Stillschweigern“.
Tödlich ist der „Sekundenschlaf“, genauso tödlich fühlt sich oft die „Tagwache“ an. Fahren kann man in einer „Seifenkiste“, selbst wenn man ein „Drecksack“ ist.
Zum Abschluss ein wenig Politik. Der vielumworbene „Mittelstand“ fährt manchmal durch die „Nebenfahrbahn“. Das Gegenteil von „Fußpilz“ ist der „Haupt-Strache“.
Und als aller-allerletztes: Das Gegenteil von „Gegenteil“ ist „miteinander“. So das war’s. „Adios“ „amigos“ sagen die Spanier. „So Oida“ „sog i imma“ sagen wir Wiener.

Mittwoch, 5. Oktober 2011

IKEA

IKEA verbindet die Welt. Das wurde uns im Sommerurlaub in Paris erst so richtig bewusst. 1200km entfernt von der Heimat stapften wir bei Freunden von einem Möbel-Déjà-Vu ins nächste. „Hey, die haben dasselbe Vorzimmer wie wir.“ Später beim Händewaschen: „Schau mal, auch ein Molger im Bad.“ So ging es weiter. Billy hier, Expedit da. „Schatz erinnerst du dich noch? Der Höllenritt am Expedit.“
Aber nicht nur die Einrichtung. Selbst das Einkaufserlebnis ist weltweit ident. IKEA Storys kann man in jeden Smalltalk einflechten. Egal ob in Frankreich oder Österreich. (Und wir Niederösterreicher sind aufgrund unserer Landesfarben sowieso schon Fast-Schweden.)
Wie zwanzigtausend andere gleichgesinnte Trotteln fahren auch wir natürlich immer ausgerechnet am Samstag zum IKEA. Nach ein paar kurzweiligen Runden der KFZ-Version von Reise nach Jerusalem haben wir Glück und finden im Parkhaus einen freien Autosessel.
Im gelb-blauen Möbeltempel erhitzen sich wie geplant die Gemüter. Die gutgemeinte IKEA-Kinderbetreuung wird kategorisch abgelehnt. Unser Sohn Matthias verschwindet in kürzester Zeit unauffindbar. Sein älterer Bruder Florian zupft im drei Sekunden-Takt an Mama Heidruns Rock. „Mama kann ich ein Eis?“ „Mama kann ich ein Eis?“ „Mama kann ich endlich ein Eis?“
Zwischen Heidrun und mir entbrennt die hitzige Diskussion, ob der breite „Sultan“ besser zur hellen „Brimnes“ passt, oder doch eher der etwas schlankere „Jaren“. Uneingeweihte könnten meinen, wir unterhielten uns gerade über die schwedische Version von „Big Brother“.
Das IKEA-Verkehrsleitsystem lenkt den Besucherstrom schließlich zielsicher ins Wikinger-Restaurant. Bei Köttbullar Fleischbällchen mit Kroketten und Lachs beruhigt sich unser Puls. Das Stimmungsbarometer steigt auf neue Tageshöchstwerte.
Profi-Schnorrer wie wir genießen so viele Softdrinks wie wir wollen. Nacheinander, versteht sich, aus einem Familienbecher. Wozu gibt’s schließlich Free Refill? Als Nachspeise drückt sich jeder IKEA-Jünger noch schnell ein Chemo-Eis aus dem Automaten. Es lebe die nordische Einheitskost.
Statt der geplanten Kommode haben wir mangels Einigung meist nur ein paar Deko-Trümmer gekauft, die wir eigentlich gar nicht haben wollten. Aber ganz mit leeren Händen wollten wir auch nicht dastehen. Das käme einem Eingeständnis unserer Niederlage gleich, und einen Spiegel kann man immer brauchen.
Der Genialität dieser schwedischen Möbelbauern ist es auch zu verdanken, dass man sich in Zeiten der Globalisierung überall zurechtfindet. Ich spreche von den allseits beliebten Möbelnamen. Billy bleibt Billy, egal in welchem Land.
Noch dazu verbessern sie die hausinterne Kommunikation. Fragt Heidrun: „Schatz, weißt du wo meine Brille ist?“ (und das tut sie mindestens dreimal täglich) dann antworte ich präzise: „auf dem Freden“, oder „auf dem Expedit im Wohnzimmer.“
Vorbei sind die Zeiten schwammiger Aussagen wie: „im Kasten im Wohnzimmer.“ Unweigerlich wurde nachgefragt: „Welcher Kasten? Der Rote hinten oder der Weiße, oder meinst die niedrige Kommode?“ Standortbestimmung im Eigenheim? Vor der skandinavischen Einheitsmöblierung, einfach unmöglich. IKEA ist das GPS im Wohnbereich.
Ein netter Nebeneffekt der Möbeltitulierung ist die Auflockerung der gereizten Einkaufs-Stimmung. Vielleicht ist das sogar der eigentliche Grund dahinter? Unterschwellige Einkaufspsychologie? Wer kann schon grimmig bleiben, wenn er auf dem Bett „Gutvik“ probeliegt oder es sich im Wippsessel „Poäng“ gemütlich macht? Heidrun schüttelt meist nur den Kopf und meint, ich werde nie erwachsen.