Mittwoch, 5. Oktober 2011

IKEA

IKEA verbindet die Welt. Das wurde uns im Sommerurlaub in Paris erst so richtig bewusst. 1200km entfernt von der Heimat stapften wir bei Freunden von einem Möbel-Déjà-Vu ins nächste. „Hey, die haben dasselbe Vorzimmer wie wir.“ Später beim Händewaschen: „Schau mal, auch ein Molger im Bad.“ So ging es weiter. Billy hier, Expedit da. „Schatz erinnerst du dich noch? Der Höllenritt am Expedit.“
Aber nicht nur die Einrichtung. Selbst das Einkaufserlebnis ist weltweit ident. IKEA Storys kann man in jeden Smalltalk einflechten. Egal ob in Frankreich oder Österreich. (Und wir Niederösterreicher sind aufgrund unserer Landesfarben sowieso schon Fast-Schweden.)
Wie zwanzigtausend andere gleichgesinnte Trotteln fahren auch wir natürlich immer ausgerechnet am Samstag zum IKEA. Nach ein paar kurzweiligen Runden der KFZ-Version von Reise nach Jerusalem haben wir Glück und finden im Parkhaus einen freien Autosessel.
Im gelb-blauen Möbeltempel erhitzen sich wie geplant die Gemüter. Die gutgemeinte IKEA-Kinderbetreuung wird kategorisch abgelehnt. Unser Sohn Matthias verschwindet in kürzester Zeit unauffindbar. Sein älterer Bruder Florian zupft im drei Sekunden-Takt an Mama Heidruns Rock. „Mama kann ich ein Eis?“ „Mama kann ich ein Eis?“ „Mama kann ich endlich ein Eis?“
Zwischen Heidrun und mir entbrennt die hitzige Diskussion, ob der breite „Sultan“ besser zur hellen „Brimnes“ passt, oder doch eher der etwas schlankere „Jaren“. Uneingeweihte könnten meinen, wir unterhielten uns gerade über die schwedische Version von „Big Brother“.
Das IKEA-Verkehrsleitsystem lenkt den Besucherstrom schließlich zielsicher ins Wikinger-Restaurant. Bei Köttbullar Fleischbällchen mit Kroketten und Lachs beruhigt sich unser Puls. Das Stimmungsbarometer steigt auf neue Tageshöchstwerte.
Profi-Schnorrer wie wir genießen so viele Softdrinks wie wir wollen. Nacheinander, versteht sich, aus einem Familienbecher. Wozu gibt’s schließlich Free Refill? Als Nachspeise drückt sich jeder IKEA-Jünger noch schnell ein Chemo-Eis aus dem Automaten. Es lebe die nordische Einheitskost.
Statt der geplanten Kommode haben wir mangels Einigung meist nur ein paar Deko-Trümmer gekauft, die wir eigentlich gar nicht haben wollten. Aber ganz mit leeren Händen wollten wir auch nicht dastehen. Das käme einem Eingeständnis unserer Niederlage gleich, und einen Spiegel kann man immer brauchen.
Der Genialität dieser schwedischen Möbelbauern ist es auch zu verdanken, dass man sich in Zeiten der Globalisierung überall zurechtfindet. Ich spreche von den allseits beliebten Möbelnamen. Billy bleibt Billy, egal in welchem Land.
Noch dazu verbessern sie die hausinterne Kommunikation. Fragt Heidrun: „Schatz, weißt du wo meine Brille ist?“ (und das tut sie mindestens dreimal täglich) dann antworte ich präzise: „auf dem Freden“, oder „auf dem Expedit im Wohnzimmer.“
Vorbei sind die Zeiten schwammiger Aussagen wie: „im Kasten im Wohnzimmer.“ Unweigerlich wurde nachgefragt: „Welcher Kasten? Der Rote hinten oder der Weiße, oder meinst die niedrige Kommode?“ Standortbestimmung im Eigenheim? Vor der skandinavischen Einheitsmöblierung, einfach unmöglich. IKEA ist das GPS im Wohnbereich.
Ein netter Nebeneffekt der Möbeltitulierung ist die Auflockerung der gereizten Einkaufs-Stimmung. Vielleicht ist das sogar der eigentliche Grund dahinter? Unterschwellige Einkaufspsychologie? Wer kann schon grimmig bleiben, wenn er auf dem Bett „Gutvik“ probeliegt oder es sich im Wippsessel „Poäng“ gemütlich macht? Heidrun schüttelt meist nur den Kopf und meint, ich werde nie erwachsen.

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